Nach 40 Jahren gegen Kortschnoj - oder wie ein Amateur sich einen Jugendtraum verwirklicht 

1966, als 15-jähriger Schachspund, kaufte ich meine erste Schachzeitung, in der auch ein Bericht über ein Turniererfolg von Viktor Kortschnoj vorkam. Legionen von Schachspieler erschienen seitdem auf der Schachbühne und zogen sich irgendwann bei nachlassenden Erfolgen aus der Arena zurück – Kortschnoj blieb, zwar gealtert, mit beneidenswerter Kampfkraft  und Spielstärke bis heute seiner Leidenschaft treu.  Noch vor seinem universellen Spielstil begeisterten mich seine Kämpferqualitäten. Die Konstanz seiner schachlichen Leistungen auf einem so hohen Niveau übertrifft, glaube ich, selbst die Lasker’s. Für mich ist er nach wie vor einer der interessantesten Schachspieler der Welt.

Die erste Chance, gegen ihn einmal antreten zu können, verpasste ich beim Schnellschachturnier im Lasker-Verein im vergangenen Jahr. Dafür hatte ich dann die Gelegenheit, in der letzten Runde des Turniers die Partie Unzicker – Kortschnoj auf Video aufzunehmen. Auf der Homepage des Berliner Schachverbandes wurde die Videosequenz dann erstaunlich oft aufgerufen.

Nun bot sich die erneute Möglichkeit, Kortschnoj am Brett gegenüber zu sitzen, beim Fredersdorfer Simultan am 5. Februar - und ich hatte das Glück, mir rechtzeitig einen der 25 angeboten Plätze reservieren zu können. Für 18.00 Uhr war das Simultan angesetzt, zuvor gab es noch einige Ehrungen ( u.a. wurde ihm die goldene Ehrennadel des brandenburgischen Schachverbandes angesteckt ) und dann begann der schachliche Marathon für Kortschnoj.

Mit 20 Siegen bei 5 Niederlagen erreichte er zwar nicht ganz das selbstgesteckte „standesgemäße“ Ergebnis von 25:0, aber Kortschnoj hatte auch keine obere Grenze für die DWZ seiner Gegenspieler gefordert ( wie z.B. Kasparov beim KdW-Simultan 2005 ). Beachtlich auch seine physische Fitness - 5 Stunden und vierzig Minuten auf den Beinen sind vielleicht nicht nur für einen 76-Jährigen kein Pappenstiel!

Nun noch ein Wort zum Verlauf meiner Partie. Auf den ersten Zug von Weiß wartend, glaubte ich 1.d4 erwarten zu dürfen und wollte dann nach Möglichkeit eine schwerblütige, komplexe Verteidigung wählen. Diese Vorgehensweise sollte meines Wissens Simultanspielern im allgemeinen wenig Freude bereiten. Kortschnoj ging offensichtlich gern auf Benoni ein und brachte die folgenden Züge a Tempo auf’s Brett. Die Stammpartie der gespielten Benoni-Variante mit Lg5 nebst Sd2  wurde übrigens, wie es der Zufall wollte,  vor über 40 Jahren, 1966 von Uhlmann gegen Garcia gespielt!  Meine Datenbank zeigte mir dann als aktuellsten Beitrag die  Partie Kortschnoj – Cebalo an; gespielt bei der 16. Seniorenweltmeisterschaft am 16.09.2006, identisch mit meiner Partie bis zum 15. Zug von Weiß! Von wegen Überraschung für Weiß! Im Mittelspiel gab Kortschnoj einen Bauern für Initiative und überließ mir die schwierige ( aber vielleicht nicht hoffnungslose ) Verteidigung. Leider nahm die Partie am Ende einen unglücklichen ( um nicht zu sagen irregulären ) Verlauf für Weiß durch einen Fingerfehler.

Ich wäre nun gern bereit, Kortschnoj eine Simultan-Revanche zu gewähren, meinetwegen auch in 40 Jahren, bin mir aber für meine Person nicht sicher, bis dahin die Spielstärke halten zu können – für Kortschnoj schon. 

Uwe Keil

die Partie: Viktor Kortschnoj - Uwe Keil